„Mut und Optimismus sind wichtige Voraussetzungen zum Gelingen des Praxiseinstiegs“

Nachgefragt bei Dr. Stefan Neumann, Radiologie am St. Joseph Stift in Bremen.

Sie sind Gesellschafter in einer großen üBAG (= überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft). Welche Vorteile sehen Sie in dieser Organisationsform?

Dr. Stefan Neumann PrivatDie Konzentration in der Radiologie hat vor mehr als 20 Jahren eingesetzt. Mit Einführung der Organisationsform einer üBAG sind die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen worden, um mit den Gestaltungsmöglichkeiten eines MVZ Schritt zu halten. Die meisten großen inhabergeführten Praxisverbünde haben sich für eine der beiden Gesellschaftsformen entschlossen. So können viele organisatorische und finanzielle Anforderungen gebündelt werden. Fachlich erlaubt die Organisationsform die notwendige Spezialisierung im Team, wodurch die Qualität der radiologischen Tätigkeit, vor allem aber auch Interessen der Ärztinnen und Ärzte berücksichtigt werden können. Gleichzeitig hilft die Manpower großer Einheiten, die Arbeitsabläufe inhaltlich und zeitlich zu optimieren, beruflichen Vorstellungen, persönlichen Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rechnung zu tragen. Dienstgestaltungen und interne Vertretungen bei Krankheitsfällen sind natürlich in der Größe und Form einer üBAG besser abzufedern.

Herr Dr. Neumann, Sie hatten in den letzten Jahren einige Gesellschafterwechsel, und jüngere Kollegen sind in Ihre Praxis als Teilhaber eingestiegen. Was raten Sie Kolleginnen und Kollegen, die in eine Praxis einsteigen wollen?

Im Jahre 2006 hatten wir einen ersten größeren Gesellschafterwechsel. Danach sind sukzessive neue Partner aufgenommen worden. Anschließend sind durch die rechtlichen Möglichkeiten einer ärztlichen Anstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Verbund aufgenommen worden, um die wachsenden Aufgaben der Praxis zu gewährleisten. Im vorigen Jahr fand ein erneuter Gesellschafter- und ein Wechsel der Geschäftsführung statt. Ein Jahr später können wir sowohl von Seiten der übernehmenden wie abgebenden Gesellschafter als auch von Seiten der angestellten, in der Praxis verbliebenen Ärzten, von einer gelungenen Rochade sprechen.

Wie gelingt der Wechsel? Durch eine Verbundweiterbildung hat unsere Praxis die Möglichkeit, junge und interessierte Assistenzärzte aufzunehmen. Diese Kolleginnen und Kollegen waren daher bereits einige Jahre vor dem Praxiseinstieg bei uns tätig und kannten somit Abläufe, Vorzüge und Eigenheiten der Praxis und ihrer Inhaber. Andere zukünftige Partner haben die Möglichkeit genutzt, in einer ein- bis zweijährigen Kennenlernphase die Interna und vor allem die handelnden Personen kennen zu lernen und zu prüfen, ob die Chemie stimmt.

Die Ernsthaftigkeit der Aufnahme und zukünftigen Beteiligung an der Praxis muss bereits in der Kennenlernphase durch Fairness und Offenheit von beiden Seiten geprägt sein. So kann ich jungen Kolleginnen und Kollegen raten, sich im Vorfeld über die Historie einer Praxis zu informieren. Hier erfährt man oft auch über die Gesellschafterstruktur, ein häufiger Gesellschafter- oder Assistentenwechsel wäre in der Regel zu hinterfragen. Natürlich muss man auch die eigenen beruflichen Interessen mit dem diagnostischen Spektrum der Praxis abgleichen. Hat man zum Beispiel weiterhin die Vorstellung, interventionell tätig zu sein, wäre eine Kooperation mit einem kleinen oder mittelgroßen Krankenhaus die Voraussetzung. Überhaupt sollte auch die Perspektive der nächsten fünf bis zehn Jahre sowie angedachte Kooperationsmodelle und Entwicklungsmöglichkeiten der Praxis, dargelegt und besprochen werden.

Können sich dann beide Parteien eine Zusammenarbeit und möglicherweise Praxisbeteiligung vorstellen, müssen die Bilanzen auf den Tisch. Sollten sich in dieser Phase Ungereimtheiten aufzeigen, wäre ich bereits kritisch. Gut aufgestellte Einheiten haben in der Regel vertragliche Unterlagen wie Mietverträge, Kooperationsvereinbarungen mit anderen Krankenhäusern oder Gesundheitseinrichtungen per Knopfdruck zur Verfügung, die dann auch in der entscheidenden Phase aufgezeigt und vor allem erklärt werden sollten.

Dann bleibt die schwierige Verhandlung des Kaufpreises oder der Einstiegsmodalitäten. Oftmals sind diese bereits in den laufenden Gesellschafterverträgen abgebildet. Den objektiven Wert einer Praxis zu bestimmen, ist mit herkömmlichen Bewertungsmethoden bei großen Verbünden oft nicht mehr gegeben. Transparenter ist es, den zu erzielenden Ertrag, oftmals aus Tätigkeitsvergütung und Gewinnanteil bestehend, so zu berechnen, dass die Tilgung der Verbindlichkeiten in einem nachvollziehbaren Zeitabschnitt erfolgen können. Jeder muss genau prüfen, ob er mit der verbleibenden Liquidität sein eigenes Leben oder das der Familie bestreiten kann. Bei allen Überlegungen, die gründlich getätigt werden müssen, bleiben jedoch Mut und Optimismus wichtige Voraussetzungen zum Gelingen des Praxiseinstiegs.

Kurzprofil Dr. Stefan Neumann

Dr. Stefan Neumann ist seit 1996 Facharzt für Radiologische Diagnostik und als Gesellschafter in der üBAG Radiologie am St. Joseph Stift in Bremen tätig.

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